«Voreingenommenheit durchbrechen» (oder eben «break the bias») lautet das Motto des Weltfrauentages 2022, der jährlich am 8. März begangen wird. Das Überwinden von Vorurteilen und Durchbrechen von Stereotypen nimmt unsere Praktikantin Sam zum Anlass und spricht mit einer jungen Frau, die in der IT-Branche zu Hause ist und sich dabei pudelwohl fühlt.
Sam: Anca, du bist Scrum Master bei haufe-umantis AG in St.Gallen, begleitest in dieser Rolle Entwicklungsprojekte für eine von haufe’s Softwares, das haufe Bewerber-Tracking-System und arbeitest dabei sehr eng mit Entwicklerteams zusammen. Wie bist du in diese Rolle hineingewachsen?
Anca: Nach meinem College-Abschluss landete ich als Project Management Officer (PMO) bei IBM. Ich habe Politikwissenschaften studiert, während des Studiums wurde mir jedoch klar, dass ich in dieser Welt nicht arbeiten wollte – obwohl das Studium interessant ist.
Ich war nie ein Programmierer/Mathematiker Genie, aber die Welt der IT war mir immer nahe. Als ich also in diese PMO-Rolle kam, merkte ich, dass mein Interesse an IT – mit ihrer Spezifizität und Konkretheit – und mein Interesse daran, mit Menschen zusammenzuarbeiten und dabei zu helfen, Dinge zu erledigen, zusammenpassten.
Später wurde ich Projektmanagerin, bevor ich agile Methoden kennenlernte, meinen Weg zu Scrum fand und Scrum Master wurde.
Gibt es bei euch auch Software-Entwicklerinnen? Wie erlebst du in deinem Arbeitsalltag das Thema Diversität?
Ich arbeite natürlich auch mit weiblichen Entwicklern zusammen! Das hängt immer vom Team und der Situation ab. Auch wenn ich generell gerne in unterschiedlichen Umgebungen arbeite, nicht nur in geschlechtsspezifischer Hinsicht, ist es mir nicht so wichtig, wie viele Frauen mitarbeiten, wenn ich einem Team oder Projekt beitrete.
Hin und wieder trifft mich die Erkenntnis, dass ich die einzige Frau in einem Meeting bin. Oder nur eine von wenigen, in einem Raum voller Männer.
In letzter Zeit, fühlt es sich durchs Remote Working weniger markant an. In persönlichen Treffen aber, ist es mir schon öfters aufgefallen.
Und welchen gängigen Klischees, um nicht zu sagen Vorurteilen, begegnest du in deinem Arbeitsalltag in der IT-Branche?
Ich denke, ich hatte das Glück, bisher in Umgebungen zu arbeiten, in denen Vielfalt selbstverständlich war. Vielleicht hatte ich aber auch meine rosarote Brille auf und habe es nicht persönlich bemerkt, denn obwohl ich schon immer in der IT gearbeitet habe, bin ich eigentlich kein Techie.
Aber ich höre Leute sagen, dass Männer normalerweise Programmierer Freaks sind. Es gibt im Englischen zum Beispiel das Sprichwort «boys and their toys».
Stellst du diesbezüglich in den letzten Jahren eine Veränderung fest – und wenn ja, welche? Falls nein: woran kann das liegen?
Ich denke, es gibt ein grösseres Bewusstsein für die Vorteile einer vielfältigen Belegschaft und diversen Teams. Ich höre und lese von Unternehmen und Organisationen, die aktiv versuchen, vielfältig zu rekrutieren.
Der Fachkräftemangel in der Branche ist ein allgegenwärtiges Thema, der Frauenanteil nach wie vor eher gering. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Meine Arbeitserfahrung in der Schweiz ist begrenzt, da ich erst vor einigen Jahren hierher gezogen bin. Aber aufgrund meiner bisherigen Erfahrung bin ich froh, sagen zu können, dass ich nicht glaube, dass explizite Vorurteile der Grund für den geringen Frauenanteil sind.
Ich frage mich, ob das auf die Bildung zurückzuführen ist: Es gibt implizite Vorurteile in Bezug auf die für Frauen geeigneten Bereiche, so dass sie zwar nicht aktiv davon abgehalten werden, MINT-Fächer zu besuchen, aber implizit dazu ermutigt werden, sich für nicht-technische Bereiche zu entscheiden.
Was sollten Arbeitgeber unternehmen, damit sich mehr junge Frauen einen Beruf im IT-Umfeld wünschen und auch zutrauen?
Ich denke, es hilft immer, sich ehrlich zu fragen, ob man persönlich voreingenommen ist. Es ist nicht einfach, diese Frage zu beantworten, aber ich glaube, es ist ein guter Anfang, Bewusstsein zu schaffen. Und ich glaube, dass Bewusstsein Intention und Handeln schafft.
Wie ich jedoch bereits erwähnt habe, ist Bildung meiner Ansicht nach ein wichtiger und früherer Aspekt. Die Tatsache, dass es heute mehr Alternativen zur akademischen Ausbildung gibt, die es Menschen ermöglichen, später im Leben den Beruf zu wechseln, ist meiner Meinung nach ein positiver Aspekt.
Weshalb ist IT deiner Meinung nach durchaus auch ein «Frauenthema»? Oder anders gefragt: welche positive Wirkung kann durch diverse Teams in Entwicklungsprojekten erzeugt werden?
Ich habe bereits erwähnt, dass ich gerne in verschiedenen Umgebungen arbeite und lebe. Ich glaube, dass in jeder Branche und jeder Situation die Vielfalt der Perspektiven, Meinungen und Sichtweisen eine Vielfalt an Ideen, Lösungen und Möglichkeiten schafft.
Welche Rolle spielen Vorbilder und ein funktionierendes Networking dabei? Gibt es weitere Punkte, die für das Gewinnen von weiblichen Fachkräften im IT-Bereich zentral sind?
Natürlich regt die Vielfalt an Beispielen die Phantasie an und lässt einen glauben, dass man auch in diese Richtung gehen könnte.
Sie sollten aber auch die eigenen Möglichkeiten nicht einschränken, wir alle haben unsere eigenen Wege und Karrieren und sind dafür verantwortlich. Was andere tun, kann uns Orientierung geben, dennoch gibt es aber so viele andere Wege erfolgreich zu sein.
Wie wird dies bei haufe-umantis gelebt und was räts du anderen Arbeitgebern, um mehr junge Frauen für einen Beruf in der IT zu begeistern?
Ich bin erst seit kurzem bei haufe-umantis dabei, aber eins kann ich sagen: Als ich vor fünf Monaten bei haufe-umantis angefangen habe, gab es nur eine Entwicklerin in meinem Team. Heute sind es vier, nachdem zwei von ihnen vor kurzem aus dem Mutterschaftsurlaub zurückgekehrt sind.
Es gibt zwar noch Dinge, die mir zu denken geben – beispielsweise, dass unsere Führung überwiegend männlich ist -, aber ich sehe um mich herum im Unternehmen Vorbilder.
Wie ich bereits erwähnt habe, halte ich eine Kombination aus Sensibilisierung und Intention seitens der Arbeitgeber, sowie vielfältige Bildungsmöglichkeiten für wichtig.
Vielen Dank, liebe Anca, dass du dir Zeit für dieses Gespräch genommen hast!